29.

Nov

Das älteste Jesukind der Welt ist ein Allgäuer

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Von Leutkirch nach Mindelheim, arg weit ist das älteste Jesukind der Welt nicht gereist.  Lediglich das Kloster und der Orden änderte sich. Es ist im Laufe der Geschichte auch mehrfach umgekleidet worden, ganz wie es die Mode durch die Jahrhunderte erforderte. Könnte das älteste Jesukind der Welt reden, es hätte viel zu erzählen.  Von der nun wohl gefestigten Christianisierung des Allgäus,  wie geglaubt, geliebt und Weihnachten gefeiert wurde. Und von seiner Wiederentdeckung: Als man das Schwäbische Krippenmuseum Mindelheim renovierte, wurde sämtliches Inventar ausgeräumt.  Dazu gehörte auch das sogenannte „Haushälterle“, eine in wertvollen Stoffen gekleidete Figur in einem Schrein. Beim Entkleiden offenbarte sich: diese Figur muss aus der Zeit um 1300 stammen – eine Sensation. 

seit 700 Jahren sitzt er da

Ältestes Jesukind der Welt aus der Zeit um 1300

Christian Schedler ist Leiter des Kulturamtes Mindelheim und hat zusammen mit Friederike Haber die Leiterin des Krippenmuseums das Schwäbische Krippenmuseum komplett neu gestaltet. Und zwar rund um das Jesulein, jene kleine , nur 8,5 cm hohe Holzfigur, die im Schrein lag.  Haber erzählt: „Diese Figur hier ist so unscheinbar und doch von unschätzbarem Wert, denn es ist das älteste Jesulein der Welt aus der Zeit um 1300“. Das Unikat ist das Prunkstück des Schwäbischen Krippenmuseums in Mindelheim. Locker im Schneidersitz, eine Hand an der Fußsohle, einen Finger im Mund – so bewegt und kindlich dargestellt fällt es völlig aus seiner Zeit. Von seinen früheren Besitzern, den Dominikanerinnen und später den Franziskanerinnen aus Leutkirch wurde es liebevoll das „Haushälterle“ genannt. Der Legende nach war es dieses Jesulein, welches stets für ausreichend Brot im Kloster gesorgt hatte. Nach der Auflösung des Klosters in Leutkirch kam es zu den Franziskanerinnen nach Mindelheim.

Das „Millionenbaby „aus der Zeit um 1500

„Das Jesulein von 1300 ist eine absolute Sensation. Denn erst ab dem Jahr 1500 verbreitet sich die Christkind-Verehrung in alle Welt bis nach Lateinamerika. Übrigens stammt die Idee, das Jesus-Kind aus der Krippe herauszulösen und einzeln zu verehren, aus schwäbischen Frauenklöstern“, erzählt Christian Schedler. Aus dieser Zeit stammt das zweite Prunkstück, ein stehendes Jesukind vom spätgotischen Bildschnitzer Michel Erhart aus Ulm. Schedler nennt es liebevoll sein „Millionenbaby“, denn sein Wert liegt deutlich über eine Millionen Euro.  Übrigens neutralisierten die Nonnen früher die Jesusfiguren – und schnitten ihnen das Zipferl ab. Restauratoren ergänzen heute wieder die Figuren.

500 Jahre alt ist dieses Jesukind

Die wichtigsten Krippenfiguren und ihre Bedeutung 

Jesu in der Krippe – das ist auch heute noch die zentrale Gestalt eines Krippenaufbaus. Maria wird in der Regel mit weißem Tuch oder Schleier dargestellt, ihr Gewand ist in den Königsfarben Rot und Blau gehalten. Josef hingegen war nicht so bedeutend. Dementsprechend steht er etwas abseits der Krippe, manchmal schläft er sogar. Ochs und Esel sind auf bildlichen Darstellungen schon im 4. Jahrhundert zu finden. Sie illustrieren eine Passage im Alten Testament: Der Ochs erkennt seinen Besitzer, der Esel die Krippe seines Herrn. Trotz ihrer Vernunftlosigkeit erkennen sie Gott im unscheinbaren Kind. Die Hirten tragen meist Kleidung ihrer Zeit. Engeldarstellungen hingegen gibt es viele. Ein barocker Engel ist männlich, Mitglied einer uniformierten Garde und trägt keine Flügel, dafür einen Stab. Aha, wieder etwas gelernt. Und das alles auf kurzen Tafeln. Ich gehe in den nächsten Raum.

Der Weihnachtsstern

Eigentlich ist der Stern von Bethlehem der Halleysche Komet, 1301  vom italienischen Maler Giotto di Bondone  bereits beschrieben und gemalt. Nun war das Vorbild für den Stern geschaffen und fehlt auch heute noch in keiner Krippe. Im Museum lädt ein interaktive Sternenhimmel der Astronomen ein zur Reise in die Galaxien und zu den Sternbildern. Eine schöne und informative Spielerei.

Vor 400 Jahren: die Jesuiten stellten die erste Krippe  auf

1618 stellten die Jesuiten in Mindelheim die erste schwäbische Krippe auf. Heute noch kann man die kindsgroßen barocken Figuren zur Weihnachtszeit (bis einschließlich Lichtmess, das ist der 2.2.) in der Jesuitenkirche bewundern. Diese Figuren zeigen, wie man die Welt vor 400 Jahren kannte oder sie sich vorstellte. Denn ein Krippenbauer musste schon viel Fantasie haben, wenn er ein Kamel oder einen Elefanten nachbaute, hat er diese Tiere doch noch nie gesehen. Und so wundert es nicht dass sich von Mindelheim aus die Krippen verbreiteten. Daher findet sich auch das Krippenmuseum im ehemaligen Jesuitenkolleg.

Jesuitenkrippe Mindelheim

Das Krippenmuseum  mit der wohl bedeutendsten Sammlung in Deutschland

Das Schwäbische Krippenmuseum Mindelheim verfügt wohl über die außergewöhnlichste Sammlung an Krippen in ganz Deutschland. Das liegt nicht allein an den beiden „Millionenbabys“, dem ältesten Jesukind der Welt und seinem 200 Jahre jüngerem Nachfolger. Denn das Museum verfügt unter anderem über eine Krippe der bayerischen Königsfamilie.

1918 – 2018 : 100 Jahre Freistaat Bayern,  die Krippe flieht

Der Freistaat wurde ausgerufen und ein Teil der bayerischen Königsfamilie floh nach Ungarn. Dort schufen sie ihre eigene Krippe, wie es zu dieser Zeit in vielen Familien langsam üblich wurde. Als die Familie von Prinzessin Eleonore bei der Besetzung Ungarns im zweiten Weltkrieg zurück nach Bayern fliehen mussten, nahmen sie ihre Krippe mit. Das taten nicht nur sie, sondern viele Vertriebene. Krippen waren damit ein Stück Familiengeschichte und Heimat geworden. Im Museum ist nicht nur die Krippe ausgestellt, man hört diese Geschichte als Nacherzählung der Aufzeichnungen von Prinzessin Eleonore.

Info: Schwäbisches Krippenmuseum, Hermelestr. 4, 87719 Mindelheim, Tel. 08261909760, www.mindelheimer-museen.de, Öffnungszeiten: Täglich außer Montag von 10 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr. Führungen nach Vereinbarung. Eintritt: 2,50 Euro.

Noch mehr Krippen:

Kreativ: Krippenbau-Schule in Kempten, hier fertigen Hobbyschnitzer mit professionellen  Werkzeug, Kurse gibt es über das Jahr verteilt:  www.krippenbauschule-hobbyschnitzer-kempten.de

Romantisch: Im beleuchteten Innenhof des historischen Antonierhauses in Memmingen ziehen lebensgroße Figuren der Weihnachtskrippe Besucher in ihren Bann. Der Memminger Maler Josef Madlener hat sie erschaffen und mit seiner Darstellung des Weihnachtsgeschehen sind Generationen vertraut.

Klösterlich: In Füssen haben unter anderem einst die Benediktiner und Franszikaner für ausladende Krippen gesorgt. In der Benediktinerabtei Ottobeuren lockt die figurenreiche Krippe auf 21 Quadratmeter alljährlich Tausende an.

Die Weihnachtsmärkte, Informationen zu den weihnachtlichen Bräuchen wie Klosensingen, die Wilden Klausen und einiges mehr findet sich auf den Seiten der Allgäuer Stadtgeschichten.

 

 

  1. Als Leutkircherin seit fast 50 Jahren und als Seniorin seit 2007 wohnhaft im Alten Kloster berührt mich das „Haushälterle“, das ich im Mindelheimer Museum hinter Panzerglas ins Herz schließen durfte. Ich stelle mir vor, welche Zuneigung die Beginen um 1300, später die Augustinerinnen ( nicht Dominikanerinnen) und später die Franziskanerinnen mit ihrem „Haushälterle“verband. Sie konnten ja keine eigenen Kinder herzen. So war ihnen das Jesulein Trost, Impuls und Bestätigung für ihre Entscheidung, sich „mit Haut und Haar“ der Sache Jesu zu verschreiben. Wieviel soziales und kontemplatives Engagement ging von diesem Kloster aus! Wieviel Segen für Leutkirch!

    Bleibt anzumerken: Herr Leopold Schmidt, wohnhaft in Leutkirch/Adrazhofen, schnitzte für die Ausstellung zum 500-jähr. Jubiläum der Martins-Kirche 2019 eine perfekte Nachbildung des Leutkircher Haushälterle. Inzwischen ziert eine Nachfolgerfigur, ein stehendes Jesulein, den Aufenthaltsraum, früher Refektorium (Speisesaal) für die Schwestern. Dieser Raum dient heute als Festsaal für die Bewohner, als Raum für Fortbildungen der VHS und als akustisch vorzüglicher Raum für Hausmusik.

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