8.

Okt

Himmelsstürmer Route – Wandertrilogie Allgäu

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Seit mehr als 30 Jahren sind Etappenwanderungen für mich eine der Säulen meines Lebens. Als ich erfuhr, dass jetzt im Allgäu mehrere lange Routen die Höhepunkte dieser Region verbinden, nahm ich sofort die 342 km lange Himmelsstürmer-Route in mein D-Wanderer Projekt auf, bei dem ich innerhalb von zwei Jahren 10.000 km auf Deutschlands schönsten Fernwanderwegen wandere.

Im August 2019 regnet es bei meinem Start in Halblech in Strömen, doch dank guter Kleidung macht mir die Nässe nichts aus. Vorbei an heute besonders stark rauschenden Bächen steige ich bergauf. Kurz vor der Kenzenhütte kommt dann sogar für eine Weile die Sonne hervor.

Aufstieg zur Kenzenhütte – Oft führt die erste Etappe an rauschenden Bächen vorbei © Günter Kromer

Der Wasserfall oberhalb der Hütte ist heute sehr eindrucksvoll. In der bald wieder von dichtem Nebel umhüllten Hütte verbringe ich einen gemütlichen Abend. Am nächsten Morgen ragen die Berge wolkenfrei vor mir auf. Durch eine faszinierende Felslandschaft marschiere ich bergauf.

Aufstieg zum Kenzensattel - Die wilde Gebirgslandschaft fasziniert mich

Aufstieg zum Kenzensattel – Die wilde Gebirgslandschaft fasziniert mich © Günter Kromer

Morgens um 8 Uhr bin ich noch ganz alleine unterwegs und genieße die Stille. Ich habe wohl noch nie innerhalb weniger Stunden so oft Gämsen neben dem Weg gesehen wie hier.

Unterhalb Kenzensattel – Immer wieder bleibe ich stehen, um Gämsen zu beobachten © Günter Kromer

Den Steig über Kenzensattel und Gabelschrofensattel kannte ich bisher noch nicht. Jetzt zähle ich ihn zu den schönsten Wegen im Allgäu. Im Bereich des durch eine Bergbahn leicht erreichbaren Tegelberg kommen mir sehr viele Wanderer entgegen.

Beim Abstieg von der Bergstation hinab zur Marienbrücke bringen mich einige Spaziergänger mit halt- und profillosen Sandalen zum Gruseln. Für erfahrene Wanderer mit guten Schuhen ist der Steig kein Problem. An einer Stelle, bei der ein paar Metallbügel als Steighilfe dienen, sitzt eine Frau in nur für die Schlossbesichtigung geeigneten Schuhwerk und traut sich weder vor noch zurück.

Ich genieße unterwegs die Aussicht auf Schloss Neuschwanstein, Schloss Hohenschwangau, den Alpsee und die vielen Berggipfel.

Schloss Neuschwanstein – Von oben betrachtet gefällt mir das Märchenschloss sogar noch besser © Günter Kromer

Die schier endlose Warteschlange vor der Marienbrücke überrascht mich. Zum Glück komme ich aus der anderen Richtung. Schnell lasse ich den Touristenrummel hinter mir und marschiere am Alpsee vorbei nach Füssen. Die Etappe nach Pfronten, die ich letztes Jahr schon wanderte, überspringe ich dieses Mal.

Bei Pfronten führt mich der Himmelsstürmer zuerst mit wenigen Höhenunterschiede etwas oberhalb an den Ortsteilen vorbei. Trotz dunstigem Wetter gefällt mir der Blick auf die Berge.

Pfronten – Bei dunstigem Wetter blicke ich über Pfronten bis zum Tegelberg © Günter Kromer

Dann führt ein wurzeliger Weg an Wasserfällen vorbei hinauf zur Bergstation der Alpspitzbahn. Von dort wandere ich über den wunderbaren Wasserfallweg hinab nach Nesselwang. Mit dem Lift fahre ich dann wieder hinauf und setze meine Wanderung oben fort. Der Gipfel der Alpspitze bietet mir einen herrlichen Rundblick.

Einige Kilometer später sitze ich am Ufer des Grüntensee. Zum Baden ist es heute zu kühl, aber für eine lange Rast am Ufer ist der See ideal. Verhältnismäßig einfach geht es auf der nächsten Etappe von Oy zum Rottachsee und weiter nach Rettenberg.

Der Aufstieg zum Grünten gefällt mir sehr gut. Der Blick von oben auf alle Gipfel der Allgäuer Alpen wird heute durch ein paar Wolken getrübt, beeindruckt mich aber dennoch.

Grünten – Schon lange wollte ich einmal auf den „Wächter des Allgäu“ © Günter Kromer

Dann wandere ich hinab zur Starzachklamm. Der Steg durch diese schmale, tiefe Schlucht mit ihren tosenden Wasserfällen zählt zu den Höhepunkten dieser Route.

Starzachklamm - Wild rauscht das Wasser unter dem Steg.

Starzachklamm – Wild rauscht das Wasser unter dem Steg. © Günter Kromer

Nun geht es ein paar Kilometer recht bequem am Ufer von Starzlach, Ostrach und Iller weiter.

Der Aufstieg über Gunzesried hinauf zum Bärenkopf kostet mich wieder ordentlich Kraft. Hier beginnt der erste Abschnitt des Himmelsstürmer auf der außergewöhnlich interessanten Nagelfluhkette. Nagelfluh ist ein Konglomerat, d.h. ein grobkörniges Sedimentgestein aus Geröllen, verkittet durch meist kalkige Bindemittel.

Steineberg – Der Weg über die Nagelfluhkette begeistert mich © Günter Kromer

Am Gipfel des Steineberg schaue ich mir eine Stunde lang die vielen Berge an.

Steineberg – Bei gutem Wetter sieht man hier viele hundert Gipfel © Günter Kromer

Für den Weg über die Nagelfluhkette sind Trittsicherheit und gute Schuhe nötig. Mitunter gibt es ein paar leichte, mit dicken Drahtseilen gut gesicherte Kletterstellen. Nach einigen Kilometern verlässt der Himmelsstürmer diese Bergkette vorläufig und führt hinab zur Alpe Gund.

Alpe Gund - Bei Berghütten sitze ich immer so lange wie möglich draußen

Alpe Gund – Bei Berghütten sitze ich immer so lange wie möglich draußen © Günter Kromer

Vor der netten, sehr familiär wirkenden Berghütte sitze ich am Abend so lange draußen, bis es völlig dunkel ist. Ich liebe diesen Wechsel des Lichts und der Farben.

Bei trübem Wetter wandere ich hinab nach Immenstadt und weiter nach Bühl am Alpsee. Auf dem Weg zu den beliebten Ausflugszielen Siedel-Alpe und Pfarralpe sind nun bei herrlichem Sonnenschein sehr viele Wanderer unterwegs. Von dem Bergrücken mit Thaler Höhe und Salmaser Höhe blicke ich weit über das Alpenvorland mit seiner sanften Hügellandschaft und der angenehmen Mischung aus Wiesen und Wäldern. Auf der anderen Seite sehe ich die Nagelfluhkette, manchmal den Alpsee, später auch Oberstaufen und den Säntis.

Alpsee - Nahe der Pfarralm schaue ich hinab zum Alpsee, dahinter ragt der Grünten auf

Alpsee – Nahe der Pfarralm schaue ich hinab zum Alpsee, dahinter ragt der Grünten auf © Günter Kromer

Blick nach Oberstaufen, im Hintergrund erhebt sich der wuchtige Säntis

Blick nach Oberstaufen, im Hintergrund erhebt sich der wuchtige Säntis © Günter Kromer

Von Oberstaufen geht es hinauf zum ebenfalls sehr beliebten Ausflugsziel Hündlekopf. Auf meist bequemen Wegen wandere ich weiter und komme bald zum Buchenegger Wasserfall, wo das Wasser in einen weiten Felsenkessel stürzt.

Buchenegger Wasserfall - Heute drängen sich hier sehr viele Urlauber

Buchenegger Wasserfall – Heute drängen sich hier sehr viele Urlauber © Günter Kromer

Einige Kilometer darauf erreiche ich die Talstation der Hochgratbahn.   Anfangs geht der Weg von hier aus recht moderat talaufwärts, dann führt mich ein anstrengender Steig zum zweiten Mal zur Nagelfluhkette hinauf.

Nagelfluhkette - Für mich ist dies die faszinierendste Bergwelt in den deutschen Alpen

Nagelfluhkette – Für mich ist dies die faszinierendste Bergwelt in den deutschen Alpen © Günter Kromer

Oben gibt es wieder ein paar leichte Kletterstellen, dazu erneut einen fantastischen Blick auf viele hundert Berggipfel. Eine Weile sitze ich auf dem Gipfel des Hochgrat, dann gehe ich hinab zur schönen Alpenvereinshütte Staufner Haus.

Nach dem Abendessen spaziere ich noch einmal zur Bergstation der Hochgratbahn, wo ich nun lange Zeit auf der Terrasse ganz alleine die Stille und die Aussicht genieße.

Bei etwas regnerischem Wetter wandere ich recht bequem hinab zur Scheidwang-Alpe, danach auf steilem Pfad hinauf zum Heidenkopf. Auch hier sehe ich die typischen Nagelfluh-Felsen. Bei zwei kurzen, seilgesicherten Kletterstellen sollte man unbedingt trittsicher und schwindelfrei sein.

Heidenkopf - Für den Himmelsstürmer braucht man Trittsicherheit

Heidenkopf – Für den Himmelsstürmer braucht man Trittsicherheit © Günter Kromer

Dann geht es etwas einfacher weiter zum Girenkopf, von dem man einen wunderbaren Rundblick hat.

Girenkopf - Hier genießt man die Aussicht bei angenehmer Stille

Girenkopf – Hier genießt man die Aussicht bei angenehmer Stille © Günter Kromer

Nun folge ich zuerst eine Weile einem fast weglosen, mit farbigen Pfosten markierten Bergrücken, bis es durch Wald hinab ins Tal geht, wo ich am Rande von Balderschwang übernachte.

Nur ganz selten hat man das Glück, dass man zwei Wochen lang ununterbrochen bei idealem Wetter wandern kann. Doch anders als fast alle anderen Fernwanderwege bietet die Himmelsstürmer-Route bei einigen Etappen Alternativstrecken für schlechtes Wetter.

Wegen starkem Regen und Nebel verzichte ich nun auf die Etappe von Balderschwang nach Grasgehren und steige auf einer dieser Alternativen direkt zum Riedberger Horn hinauf. Genau als ich oben ankomme, hört der Regen für ein paar Minuten auf. Es ist nicht immer nur Sonnenschein nötig für unvergessliche Bergerlebnisse. Die Wolkenstimmung hier oben begeistert mich ebenso wie manches Postkartenpanorama.

Riedberger Horn - Auch Regentage bieten großartige Momente

Riedberger Horn – Auch Regentage bieten großartige Momente © Günter Kromer

Doch schnell zieht wieder Nebel auf, so dass ich die anderen Hörnergipfel auf einer leichten Route nach Ofterschwang umgehen muss.

Auch auf dem Weg von Ofterschwang über Fischen nach Oberstdorf sehe ich wegen dem Wetter nur selten etwas von den Bergen. Auch der schöne Weg am Oybach entlang zum Oytal-Haus liegt dicht unter der Wolkengrenze.

Nun beginnt der steilste Aufstieg des Himmelsstürmer. Dieser alpine Steig sollte nur von erfahrenen Bergsteigern begangen werden. Nach den tagelangen Regenfällen sind die Trittsteine bei zwei normalerweise einfachen Bachüberquerungen überflutet, so dass ich hier durch das Wasser gehen muss. Einige normalerweise nicht allzu schwere Kletterstellen mit Drahtseilen sind heute bei dem nassen Untergrund etwas abenteuerlich. Ich bin froh, dass ich hier bergauf und nicht bergab steige. Bald umgibt mich dichter Nebel. Der Seealpsee wird vom Grau verborgen. Dennoch bin ich zufrieden, denn auch solche Erlebnisse gehören für mich untrennbar zu einem abwechslungsreichen Alpenurlaub dazu.

Das Edmund-Probst-Haus neben der Bergbahnstation Höfatsblick erkenne ich erst, als ich fast direkt davor stehe. Vor dem großen Alpenvereinshaus sind es momentan nur 8 Grad.

Schon lange vor Sonnenaufgang verlasse ich die Hütte, um die Morgendämmerung in aller Stille zu genießen. An diesem herrlichen Morgen wird nur noch weit unten Oberstdorf von einer Nebelschicht verhüllt, oben sind alle Gipfel wolkenfrei. Ich wandere so weit bergauf, bis ich frei nach Osten schauen kann. Der Himmel leuchtet in prunkvollem Rot, Orange und Rosa.

Nebelhorn - Sonnenaufgang oberhalb Edmund Probst Haus

Nebelhorn – Sonnenaufgang oberhalb Edmund Probst Haus © Günter Kromer

Dann steigt die Sonne hinter fernen Gipfeln auf und ich gehe zum Frühstück zurück zur Hütte.

Bei perfektem Wanderwetter spaziere ich weiter. Ein letzter Blick hinab zum Edmund-Probst-Haus, dann geht es auf einer recht mühsamen, aber wunderschönen Strecke über stark zerklüftetes Karstgestein weiter. Welch ein herrlicher Wandertag!

Edmund Probst Haus - Von hier blickt man ins Herz der Allgäuer Alpen

Edmund Probst Haus – Von hier blickt man ins Herz der Allgäuer Alpen © Günter Kromer

Im Juli muss man hier manchmal noch Schneefelder überqueren, doch nach dem heißen Sommer liegen heute nur noch ein paar Schnee- und Eisreste abseits der Strecke.

Weg östlich des Nebelhorns - Auf einem kleinen See liegen noch immer Eisreste

Weg östlich des Nebelhorns – Auf einem kleinen See liegen noch immer Eisreste © Günter Kromer

Der idyllische Engeratsgundsee eignet sich ideal für eine lange Rast.

Engeratsgundsee - Dies ist ein wunderbarer Platz für eine Rast

Engeratsgundsee – Dies ist ein wunderbarer Platz für eine Rast © Günter Kromer

Bis Bad Hindelang kann ich nun auf abwechslungsreicher, nicht mehr so schwerer Strecke viel Sonnenschein genießen.

Leider hängen am nächsten Morgen wieder die Wolken dicht über dem Ort. Ich kürze ein Stück ab und fahre mit der Iselerbahn hinauf über das Nebelmeer. Oben beglückt mich wolkenloser Himmel. Wie Inseln ragen die hohen Bergrücken aus den Wolken heraus.

Tannheimer Tal - Der Schmugglerweg führt heute über ein Nebelmeer

Tannheimer Tal – Der Schmugglerweg führt heute über ein Nebelmeer © Günter Kromer

Ein paar Kilometer weit wandere ich bei Sonnenschein, dann führt mich der Weg noch einmal kurz durch Nebel hinab ins Tannheimer Tal. Doch auch zwischen Schattwald und Tannheim löst sich der Nebel nun bald auf. Der Wechsel zwischen einigen Nebelpassagen und Sonnenschein fasziniert mich auch auf der folgenden Strecke. Den Aufstieg zur Sonnenalm erlebe ich bei perfektem Wanderwetter, doch als ich oben eine halbe Stunde lang im Restaurant am Füssener Jöchl etwas esse, steckt dieses die ganze Zeit über in dichtem Nebel. Kurz nach Verlassen des Restaurants sieht alles wieder nach idealem Sommerwetter aus. Dann sehe ich vor mir, wie sich gerade eine gewaltige Nebelwalze am Aggenstein vorbei über mein heutiges Ziel Bad Kissinger Hütte schiebt.

Noch kann ich eine Stunde lang die Gebirgslandschaft genießen, dann wandere ich wieder durch dichtes Grau. Am Abend erlebe ich einige faszinierende Lichtstimmungen, als sich der Nebel zeitweise etwas auflöst und die Sonne mit den Wolkenresten spielt.

Nahe Füssener Jöchl - Nebelfelder und Sonnenschein wechseln sich ab

Nahe Füssener Jöchl – Nebelfelder und Sonnenschein wechseln sich ab © Günter Kromer

Und wieder gehe ich schon während der frühen Morgendämmerung vor die Hütte. Noch liegen Füssen, Pfronten und die Seen unter einem Nebelmeer. Je näher der Sonnenaufgang kommt, desto stärker wechselt das Licht von Blau zu Rot. Dann steht die Sonne zwischen ein paar Wolkenresten und verwandelt die Bergwelt in ein buntes Szenario. Solche Momente sind unbezahlbar.

Bad Kissinger Hütte - Wer bis zum Frühstück im Bett bleibt, verpasst etwas

Bad Kissinger Hütte – Wer bis zum Frühstück im Bett bleibt, verpasst etwas © Günter Kromer

Nach dem Frühstück steige ich auf den Aggenstein, einem wegen der herrlichen Rundsicht beliebten Ausflugsziel.

Aggenstein - Am frühen Morgen schaue ich zur Bad Kissinger Hütte hinab

Aggenstein – Am frühen Morgen schaue ich zur Bad Kissinger Hütte hinab © Günter Kromer

In vielen Serpentinen steige ich nun hinab. Es folgen ein Zwischenaufstieg zum Breitenberg, ein steiler Abstieg zum Restaurant Fallmühle und ein paar bequeme letzte Kilometer nach Pfronten-Ried. Dann enden für mich großartige Tage auf einer der schönsten Etappenwanderungen Deutschlands.

  1. Anneliese Waldhoer-Wrobel sagt:

    Danke – mit Ihrem wunderbaren Bericht haben Sie mich teilhaben lassen an Ihrer schönen Tour, die meisten Wege, Hütten usw. kannte ich. Ich liebe das Allgäu, wohne aber in Niederbayern, aber durch die Freundschaft mit einem wunderbaren Mann, der mir das Allgäu in all seinen Facetten zeigte, lernte ich es lieben – es gibt nicht SCHÖNERES für mich, das haben mir Ihre schönen Bilder mit tollem Text bestätigt. Ich wünsche Ihnen noch viele schöne Touren.

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