28.

Dez

Waal Jengen Ostallgäu

Herzklopfen – Sehnsuchtsorte im Schlosspark

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Spurensuche. Wenn alles so still ist unter dem weißen Winterkleid, regt sich nicht selten ein kleiner bittersüßer Schmerz in unserem Herzen: Sehnsucht nach Ruhe und nach Frieden. Sehnsucht nach ein bisschen Zeit, das Jahr, das in Windeseile vorüber gegangen ist, Revue passieren zu lassen und zu überlegen, wohin unserer Weg im neuen führt. Was ist uns wirklich wichtig? Welche Spuren wollen wir nicht nur im Schnee hinterlassen? Eine Mini-Auszeit – vielleicht an einem liebgewonnen Platz in der Natur oder mitten im Dorf oder in der Stadt – gibt uns vielleicht eine Antwort darauf. Solche Plätze sind Sehnsuchtsorte, die einem irgendwie Kraft in einer turbulenten Zeit geben und an die wir uns zurückziehen können, wenn es zu laut und hektisch im Alltag wird. Solche Orte fragen nichts, doch scheinen sie zuzuhören und uns zu verstehen. Solche Orte gibt es im Schlosspark im Allgäu einige.

Der Erlebnisraum des Allgäus ist ein weiter Raum aus Bergen, Hügeln, Seen, Wiesen und Wäldern – und im Winter ein Zauberland, das schon Märchenkönig Ludwig II. inspirierte. Wir reisen für diese kleine Serie an drei Sehnsuchtsorte im Norden des Schlossparks, wo sich das Alpenpanorama aus der Ferne wie eine Juwelenkette präsentiert und idyllische Winterwege ohne große Steigungen durch die Landschaft führen. So erreichen Sehnsuchtssuchende die Orte ohne große Mühe und kommen ganz schnell zu ihrem ganz persönlichen Schlosspark-Moment.

1. Himmlische Aussicht: Der Georgiberg bei Untergermaringen

Georgiberg Germaringen Ostallgäu

Traditionsreiche Orte lassen uns unsere Wurzeln meist besonders intensiv spüren. In nur 15 Minuten geht es vom Ort hinauf zur romanischen Georgibergkirche auf den 718 Meter hohen Berg, die höchste Erhebung zwischen Kaufbeuren und Augsburg. Wie Wächter säumen die 150 Jahre alten, knorrigen Linden den Weg. Sie stehen unter Denkmalschutz. Die barocken Gebetsstationen bauten die Einheimischen aus Dankbarkeit, als im 17. Jahrhundert eine Tierseuche grassierte und der heilige Georg ihre flehenden Gebete erhört haben soll, so die Legende. Die Kirche ist noch viel älter. Sie wurde um 1180 errichtet und birgt einen besonderen Schatz, der erst Mitte der 1960er Jahre zum Vorschein kam: Millimeter für Millimeter wurden unter vielen Farblagen wertvolle Fresken entdeckt, die auch den thronenden Christus in der Mandorla zeigen – zum Teil mit kostbarem Lapislazuli-Blau gemalt. Die Darstellung zählt unter Kunstexperten zur der besterhaltenen Apsismalereien diesseits der Alpen.

Ende des 18. Jahrhunderts begannen die Menschen am Georgitag (23. April) auf den Berg zu pilgern, um sich von einem Priester segnen zu lassen und kamen mit allem, was vier Beine hatte: Rinder, Schafe, Ziegen, Hund und Katze. Auch heute noch führt an diesem Tag nach der Messe eine feierliche Prozession zurück nach Untergermaringen. „Der Georgieberg hat einfach eine besondere Ausstrahlung und unwahrscheinliche Anziehungskraft“, meint der ehemalige Diakon von Germaringen Gerhard Entrup. „Das ist schon ein mystischer Ort, zu dem die Menschen pilgern, um hier Hilfe für ihre Sorgen und Nöte zu erbitten.“ Auch die Aussicht ist mehr als „erbaulich“: Bei Föhnwind ist die Alpenkette zum Greifen nah.

2. Glänzende Kleinode: Irsee und sein Kloster

Kloster Irsee Ostallgäu

Bauwerke wie die barocke Klosteranlage in Irsee lassen uns oft ehrfürchtig staunen, was Generationen vor uns mit viel weniger Mitteln geschaffen haben. Dieser Bau zieht schon von weitem die Blicke auf sich und auch Irsee selbst ist in seiner Erscheinung ganz von ihm geprägt. Das ehemalige Benediktinerkloster entstand um 1180 aus einer Einsiedelei im Eiberger Wald. Für Landschaftsarchitektin Gudrun Dietz-Hofmann sind der Ort wie das Kloster besondere Plätze. 1987 kam sie mit ihrem Mann im Auftrag der Dorferneuerung nach Irsee – und sie sind „hängengeblieben“, wie sie selbst lachend erzählt. „Ich mag den Ort gerne, weil er so viel alte Bausubstanz hat, die muss man unbedingt erhalten. Häuser wie das Lutzenberger Haus oder das Gerichtshaus mit dem wunderbaren Giebelfresko sind im Allgäu sicher einmalig.“

Irsee Kloster Ostallgäu

Um das Kloster führt ein idyllisches Spazierwegesystem. Die Nordseite ist sehr wasserreich, überall fließt und plätschern kleine Bäche, in denen im Winter eiskalte Temperaturen das Wasser gerne zu bizarre Kunstwerken frieren. Im Auftrag des Schwäbischen Tagungs- und Bildungszentrum, das in dem ehemaligen Kloster untergebracht ist, wurde vor zehn Jahren ein artenreicher Wald angelegt. Hier wachsen Eichen, Walnussbäume, Linden, Esskastanien, aber auch „Baumgäste“ wie Mammut und Douglasie. „Die vielen Bäume am und rund um das Kloster geben dem Ort ein besonderes Flair“, findet Gudrun Dietz-Hofmann. „Die ältesten sind 300 Jahre, die jüngsten 10 Jahre alt.“ Sich an einen dicken Baumriesen anlehnen, die Augen schließen und genießen – da fällt sicher vieles ab, was einem in diesem Jahr beschäftigt hat.

Überraschend ist der Wechsel vom unteren zum oberen Dorf mit seinen großen, alten Allgäuer Bauernhäusern. Ein kleiner Fußweg führt hinauf zum Hochplateau mit der Stephanskirche, wo früher die Burg der Ritter von Ronsberg stand. Bei der traumhaften Aussicht auf das Wertachtal und das Voralpenland mit seinen verschneiten Wiesen, Wäldern und Hügeln ist der Alltag wirklich ganz schnell vergessen.

3. Schaurig-abenteuerliche Szenerie: Die Teufelsküche bei Obergünzburg

Teufelsküche Obergünzburg

Oft entsteht bringt ein kleiner Stein alles in Rollen. Ein Schritt, der etwas ganz Neues entstehen lässt. Die Natur macht es uns so oft vor. Die Teufelsküche ist eigentlich nur ein Hangrutsch. Doch ein ziemlich beeindruckender, der bei anbrechender Dunkelheit auch etwas Schaurig-Abenteuerliches ausstrahlt. Inmitten eines Waldes stehen meterhohe Felsblöcke aus Nagelfluhgestein, das aussieht, als hätte man spitze Kieselsteine in einer Masse eingebacken. Bäumen suchen mit ihren Wurzeln Halt. „Jede Jahreszeit hat ihre eigene Stimmung hier. Im Winter hängen Eiszapfen von den Felsen und die Steine sind mit Eisgefällen überzogen, weil es hier sehr feucht ist“, erzählt Peter Würl, der 1984 ins Allgäu kam und sofort von der Teufelsküche begeistert war. „Ich habe dort Wochen verbracht und kenne hier jeden Stein und jede Spalte. Ich habe den Platz bei Nebel und bei Regen erlebt und bei Gewitter lag ich auch schon unter einem der großen Felsen.“ Diese sind wohl nach der Würmeiszeit aus einer Steilwand herausgebrochen und hierher gerutscht. Fällt das Licht in einem bestimmten Winkel auf eine der Steinwände, ist ziemlich eindeutig ein Teufelsgesicht zu erkennen. „Die ganzen Geschichten und Sagen, die sich um diesen Ort ranken, sind für mich besonders spannend. Das ganze Günztal ist voll davon, weil die Zivilisation erst sehr spät hier eingekehrt ist. Oft hat man düsteren und unzugänglichen Schluchten Namen wie Teufelsküche gegeben, damit die Menschen sich von solchen Orten fernhalten“, meint der Buchautor, der auch Führungen hier anbietet. Wer offen für schaurige Abenteuer ist, braucht sich heute nicht mehr fernhalten, aber gutes Schuhwerk sollte er im Winter jeden Fall tragen, um heil wieder aus der felsigen Schlucht herauszukommen.

Winter Irsee

Das war der erste Teil der Serie über Sehnsuchtsorte im Schlosspark. Weiter geht es vom Norden in den Süden, auch da gibt es viele besondere Plätze, die Herz und Seele in der kalten Jahreszeit wärmen und nur darauf warten, (wieder-)entdeckt zu werden. Mehr zu den Sehnsuchtsorten und der Sehnsuchtskarte mit Tipps auf www.schlosspark.de.

 

 

Bildnachweis: Beitragstitelbild, 1-4, 7: Christian Greither, Lengenwang

5, 6, 8: Martin Zurek, Irsee

 

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